Es ist noch gar nicht so lange her, dass ich angefangen habe, mich mit diesem Thema zu beschäftigen – erst als eine gute Freundin von mir vor wenigen Jahren eine Fehlgeburt erlitt. Und das Komische ist, dass ich jedes Mal, wenn ich das Thema im Gespräch mit anderen Frauen aufbringe, mindestens eine sagt „Das habe ich auch erlebt.“ oder „Eine Freundin von mir auch.“

Warum wird über dieses bedrückende, aber scheinbar universelle Thema nicht wirklich gesprochen?

Warum suchen viele Frauen den „Fehler“ bei sich, hören auf, ihrem Körper zu vertrauen (wenn sie es denn jemals haben) und denken, sie müssten „stark sein“ und das alleine durchstehen?

Warum glauben Frauen, sie müssten die emotionale und psychische Belastung alleine tragen – für sich und ihren Herzensmenschen – und fühlen sich nicht sicher genug, jemanden um Unterstützung in ihrem Trauerprozess zu bitten?

Ein Hinweis vorab

Zuerst möchte ich betonen, dass ich selbst (noch) keine Fehlgeburt hatte, und falls du diese Erfahrung bereits gemacht hast und irgendetwas von dem, was ich hier schreibe, für dich verletzend oder abwertend klingt, dann schreib mir bitte und weise mich drauf hin! Ich möchte dieses Thema weder verharmlosen noch aufbauschen, sondern dafür sensibilisieren, dass es leider Teil unserer menschlichen Erfahrung ist, damit sich Betroffene und ihre Partner*innen sicher genug fühlen, um sich jemandem anzuvertrauen und die Unterstützung zu holen, die sie brauchen oder sich wünschen.

Die Unvermeidbarkeit von Schmerz

So sehr wir uns auch wünschen, dass es anders wäre, ist das Risiko einer Fehlgeburt leider unvermeidbar. Es ist die Art und Weise, wie unser Körper eine Schwangerschaft beendet, die nicht erfolgreich sein kann – aufgrund einer Eileiterschwangerschaft (Einnistung außerhalb der Gebärmutter), genetischer Voraussetzungen, die verhindern, dass ein Fötus außerhalb der Gebärmutter überleben kann, oder auch wenn eine schwangere Person das Kind nicht von ganzem Herzen will.

Trotzdem kann diese Erfahrung natürlich unglaublich schmerzhaft (physisch, emotional, psychisch, seelisch) und niederschmetternd sein. Und sie kommt bei ca. 20-30% der festgestellten Schwangerschaften vor, je nach Statistik.

Die Dunkelziffer ist wahrscheinlich sogar noch höher, da eine Fehlgeburt manchmal schon in den ersten Wochen auftritt und dann für eine normale Menstruationsblutung gehalten wird, wenn auch vielleicht mit mehr Blutklumpen als gewöhnlich.

Wenn das nun also eine universelle Erfahrung ist, warum wird sie dann scheinbar totgeschwiegen?

Warum reden wir nicht darüber?

So gerne ich eine Antwort darauf hätte, ich kann auch nur darüber sinnieren.

Ich denke es liegt teilweise einfach daran, dass es eine sehr persönliche Erfahrung ist, die wir eben nicht mit allen Menschen teilen wollen. Und das ist natürlich völlig okay und verständlich und jede Person hat ihre eigene Art und Weise zu trauern und die Herausforderungen des Lebens durchzustehen und zu verarbeiten.

Doch ich glaube, dass es dabei noch um mehr geht. Unsere Gesellschaft ist ziemlich Trauer-avers oder Schmerz-scheu, und Viele versuchen diese Art von Erfahrungen unter den Teppich zu kehren – als ob sie davon einfach verschwinden würden. Die wenigsten haben beim Aufwachsen gelernt, wie sie mit schwierigen und intensiven Emotionen umgehen können, z.B. Trauer, Wut, Verwirrung, Frustration oder Traurigkeit.

Es ist viel einfacher das offene Herauslassen dieser Gefühle als „falsch“ darzustellen. Wütende Frauen werden nicht ernst genommen, sondern gefragt, ob sie ihre Periode haben. Männer, die ihre Ängste und Verletzlichkeit äußern, werden „schwach“ oder „unmännlich“ genannt. Und das sind nur zwei der eher typischen leider-nicht-Klischees, die immer noch jeden Tag in dieser Welt so geschehen.

Und Menschen, die mitten in einem wichtigen Meeting plötzlich in Tränen ausbrechen, weil sie ihr Kind verloren haben? Gelten wahrscheinlich als „unprofessionell“ oder „emotional instabil“. Werden gebeten „sich zusammenzureißen“ …

Es besteht also bereits dieses ganze Stigma um das Ausdrücken dieser eher schwierigen Aspekte unserer gemeinsamen Menschlichkeit. Kein Wunder, dass man sich in dieser Situation so alleine fühlt …

Unterstützung, wenn die Worte fehlen …

Und vielleicht sprechen wir auch deshalb so wenig über Fehlgeburten, weil in solchen Momenten einfach die Worte fehlen. Und ich kenne nicht sehr viele Menschen, die wissen, wie man dafür Raum hält.

Wenn du durch eine solche Erfahrung gehst, weißt du oft nicht, an wen du dich wenden sollst, wer wirklich für dich da sein kann. Ein Mensch, der nicht einfach nur versucht, dass es dir „besser geht“, sondern der die Schwere der Situation (aus)halten kann und mit dem, was da ist, präsent ist.

Wir leben nun mal in einer Gesellschaft, die es vorzieht sich zu betäuben (durch Überarbeiten, Alkohol, Drogen, endlose Partys, Binge-Eating (übermäßiges essen, um Gefühle zu unterdrücken), Binge-Watching à la Netflix, Shopping, Social Media, Computerspiele oder andere Formen des Konsums) anstatt den schwierigen und oft schmerzhaften Emotionen gegenüberzutreten und zu lernen mit ihnen umzugehen und sie zu verarbeiten. Wir sind also nicht gerade geübt darin für andere in ihrer Trauer Raum zu halten.

Ich bin überzeugt, dass es die meisten Menschen nur gut meinen, aber ich frage mich manchmal echt, ob sie eigentlich merken, was sie da gerade von sich geben und sich überlegen, wie es bei der anderen Person ankommt, bevor sie Plattitüden raushauen wie „Zumindest weißt du, dass du schwanger werden kannst.“, „Ich bin sicher das Baby ist an einem besseren Ort.“ oder „Du musst die Vergangenheit loslassen und darüber hinwegkommen – für deine Familie!“.

Und ich möchte mich hier gar nicht als moralisch überlegen darstellen – ich habe in meinem Leben wahrscheinlich viele solcher Floskeln von mir gegeben, bevor mir aufgefallen ist, wie vernichtend sie für die andere Person klingen. Ich glaube, dass diese Phrasen meist auch eher einem sehr egoistischen Zweck dienen – ich möchte, dass sich die andere Person besser fühlt, nicht etwa, damit es ihr besser geht (ohne zu wissen, ob sie das überhaupt selbst möchte), sondern damit ich ihr Leid nicht aushalten muss.

Denk mal drüber nach.

Es ist schwer auszuhalten jemand anderen leiden zu sehen und sich angesichts dessen völlig machtlos zu fühlen. Es erinnert uns an unsere eigene Verwundbarkeit. Anstatt also unsere eigenen Gefühle zu spüren, versuchen wir lieber ein Gefühl von Kontrolle zurückzuerlangen, in dem wir handeln, versuchen „es wieder gut zu machen“, indem wir etwas sagen – egal was.

Aber wir können es nicht „wieder gut machen“, und das ist auch nicht unsere Aufgabe. Und ich kenne nicht viele Menschen, die das annehmen können und angesichts ihrer eigenen Verletzlichkeit demütig bleiben. Die ihr eigenes Bedürfnis nach Auflösung beiseiteschieben, um der anderen Person in ihrem Leid wertfrei zu begegnen und einen offenen und unterstützenden Raum für sie halten.

Wenn du also jemanden in Trauer unterstützen möchtest, aber nicht weißt, was du sagen sollst, sag das ganz offen. „Mir fehlen die Worte, aber ich bin für dich da.“
(In diesem Gespräch mit Heidi Dunstan findest du noch ein paar andere Ideen.)

Und wenn du selbst trauerst und das Gefühl hast, dass es in deinem Umfeld niemanden gibt, der dich versteht, melde dich gerne bei mir. Meine Freunde erzählen mir seit eh und je, dass meine größte Gabe und meine Superkraft das tiefe Zuhören ist.

Was kann ein Gefühl des Abschlusses und der Heilung bringen?

Zuerst möchte ich betonen, dass ich nicht glaube, dass es das Ziel ist (oder sein sollte) „einen Abschluss zu finden“ oder „die Erfahrung zu heilen“! Es geht nicht darum, sich so schnell wie möglich wieder „gut zu fühlen“. Der Prozess des Trauerns verläuft für jeden Menschen anders und braucht so kurz oder so lang wie er eben braucht – und das ist okay!

Die Trauer kann in Wellen kommen, und während das Intervall oder die Intensität mit der Zeit abnehmen kann (aber nicht muss), ist es möglich, dass es niemals wirklich „vorbei“ sein wird, dass es kein „darüber hinwegkommen“ gibt. Doch dir zu erlauben auf deine eigene Art und Weise durch diesen Trauerprozess zu gehen, kann in sich schon ein Gefühl des Abschlusses mit sich bringen – zu seiner eigenen Zeit.

Dass wir in einer Welt leben, in der wir davon abgehalten werden unsere Emotionen offen und ohne Scheu zu zeigen und auszudrücken, trägt natürlich nicht gerade dazu bei, dass wir das Gefühl haben, dass es okay ist, sich zu fühlen wie wir uns fühlen. Aber es kann helfen zu verstehen, dass der Trauerprozess ein wichtiger Teil des Verarbeitens ist und dass du nicht alleine da durch musst.

Manchen Menschen hilft es enorm, über die Erfahrung, die Gefühle und Gedanken zu sprechen (mit Freunden, in einer Selbsthilfegruppe, mit einem Coach), weil sie nicht länger alles herunterschlucken oder verstecken müssen und sich dadurch weniger alleine fühlen.

Der wichtigste Punkt ist (meiner nicht-so-bescheidenen Meinung nach), dich deinem Herzensmenschen gegenüber zu öffnen, ehrlich über deine Gefühle und Gedanken zu sprechen, oder auch zu sagen, wenn du dich komplett leer und taub fühlst. Denn ihr geht beide durch diese schreckliche Erfahrung, jede Person auf ihre Weise, und ohne eine offene und ehrliche Kommunikation kann es sich anfühlen als hinge da dieser nebulöse Schatten in der Luft zwischen euch, der zu einer Entfremdung führen kann.

Und dann ist da noch die enorme Heilkraft von Ritualen.

Menschen haben zu allen Zeiten Rituale und Zeremonien genutzt, um wichtige Ereignisse zu kennzeichnen, wie das Erwachsenwerden, die Elternschaft, der Eintritt in die Weisheitsphase des Alters und den Tod. Es ist ein Moment, in dem wir uns mit der Zerbrechlichkeit und der Kraft unseres menschlichen Daseins verbinden, und auch mit etwas Größerem, das uns hält.

Eurem Baby einen Namen zu geben kann in diesem Prozess sehr kraftvoll sein, damit es nicht dieses vage, nebulöse „Sache, die geschehen ist“ bleibt, sondern ihr eine Verbindung mit dem Menschen aufnehmen könnt, der seine physische Form verlassen hat. Denn ich glaube er ist immer noch Teil eurer Familie und im Geiste bei euch.

In manchen Ländern kann man den Namen sogar beim Standesamt/Einwohnermeldeamt eintragen lassen.

Eine andere (oder zusätzliche) Möglichkeit ist, euer Baby oder etwas, das euch an es erinnert, zu begraben. Oder einfach einen Baum oder eine Blume zu pflanzen, zu dem ihr gehen und euch erinnern könnt, wenn euch das hilft.

Ein Fireside Chat über Fehlgeburt

Ich glaube, dass wir diese Geschichten offen ansprechen und hören müssen, damit Frauen verstehen, dass es zwar eine schreckliche und traumatisierende Erfahrung ist, sie diese aber nicht alleine durchstehen müssen.

Es ist okay, wenn man sich am Boden fühlt und das Herz gebrochen ist. Es ist okay eine Zeitlang gar nichts zu spüren. Es ist okay, wenn man unerwartet und ohne Vorwarnung in Tränen ausbricht. Es ist okay, wenn man niemanden sehen will. Es ist okay, um Unterstützung zu bitten – nicht, damit es besser wird, sondern einfach, damit jemand da ist.

Und ich bin unglaublich dankbar, dass meine Gästin Karin Freeland mutig ist und ihre Erfahrung mit uns teilt, ihren Weg der Heilung und wie sie für sich und ihre Familie einen Abschluss gefunden hat.

Sie richtet diese Botschaft an alle Frauen da draußen:

Steh für dich ein, vertraue deiner Intuition, glaub an dich selbst, denn du weißt mehr über deinen Körper als du dir vorstellen kannst!

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