Die ganze Idee begann an einem Winterwochenende im Dezember, als wir bei meinem Vater waren, um seinen Eintritt in den Ruhestand zu feiern.
Mein Vater, seine Frau, mein Mann und ich saßen gemütlich zusammen und unterhielten uns angeregt – wie eigentlich immer, wenn wir uns sehen. Es ging um die bevorstehenden Weihnachtsfeierlichkeiten, wo wir an welchem Tag feiern würden, wer was organisiert, usw.
Und dann stellte mein Vater diese Frage, die mich zum Nachdenken brachte:
“Was ist eigentlich das Besondere an Weihnachten? So besonders, dass jeder das Bedürfnis hat, es zu feiern, auch wenn er nicht unbedingt Christ ist? Warum gibt es so viele Vorbereitungen, Wochen, ja sogar Monate vor dem eigentlichen Weihnachtstag? Warum werden schon im September Weihnachtssüßigkeiten verkauft? Warum sind alle so versessen darauf, zu schmücken, zu backen, gemeinsam zu essen, Geschenke vorzubereiten?”
Die Zeugen Jehovas, oder “Ein Leben ohne Weihnachten …”
Um diese Fragestellung zu verstehen, muss man wissen, dass er bei den Zeugen Jehovas aufgewachsen ist. Sie sagen, es sei eine Religion, aber im Grunde ist es eine Sekte. Denn ihr Credo ist, dass jede Person, die an Jehova glaubt und nach seinem Gebot lebt, ein guter Mensch ist. Sie haben ihre eigene Schrift, ähnlich der Bibel und predigen, dass die guten Menschen, die an Jehova glauben, überleben werden, wenn die Welt niederbrennt – was natürlich angebliche “bald” der Fall sein wird.
Und eigentlich hätte die Welt laut ihnen schon mehrfach niederbrennen müssen, und naja, in gewisser Weise steht sie auch in Flammen, aber davon ein andermal mehr.
Die Zeugen Jehovas dürfen jedenfalls keinen Kontakt zu anderen Menschen haben, die nicht an Jehova glauben. So müssen sich zum Beispiel die Kinder in der Schule von den anderen fernhalten, dürfen sie nicht zu Hause besuchen usw.
Es gibt keine Feierlichkeiten, wie zum Beispiel Geburtstage. Es werden keine heidnischen Feiertage gefeiert (und Weihnachten ist für sie ein heidnischer Feiertag), es gibt einfach keinen Kontakt zu Menschen mit anderem Glauben.
Und das macht es wirklich schwer aus der Sekte auszutreten, weil sie dann ganz alleine wären. Wenn man austritt, hat man weder Freunde noch Unterstützung. Deine Eltern müssen dich im Grunde widerrufen und den Kontakt zu dir abbrechen, und du bist ganz auf dich allein gestellt. Und deshalb bleiben natürlich Viele dort, auch wenn sie wissen, dass es ihnen nicht gut tut. Und andere glauben natürlich tatsächlich daran.
Aber was ich wirklich faszinierend finde, ist, dass mein Vater schon in jungen Jahren diesen unzerbrechlichen Kern in sich gestärkt hat. Dieser Glaube, dass das, was ihm gepredigt wird, nicht richtig ist. Und so hat er angefangen, sich Freunde außerhalb seines Kreises zu suchen, und dafür wurde er schon komisch angeschaut. Und als er dann 18 wurde, ist er gegangen.
Natürlich wurde von den Zeugen Jehovas behauptet, dass sie ihn rausgeschmissen hätten …
Und das Interessante ist, dass seine Eltern nicht so stark gläubig waren – sie entschieden sich für ihren Sohn und kamen mit ihm. Sie haben den Kontakt zu den Mitgliedern der Zeugen Jehovas abgebrochen und sich ein neues Leben aufgebaut. Und ich glaube, das ist eine wirklich mutige Tat, das zu tun, daher möchte ich das an dieser Stelle würdigen.
Aber das bedeutet auch, dass er nicht mit Weihnachten aufgewachsen ist, sondern Weihnachtsbäume und Geschenke nur bei seinen Freunden gesehen hat. Und selbst da wurde er von seiner Religion aufgefordert, diese Menschen darüber aufzuklären, dass das, was sie tun, nicht richtig ist und sie es lassen sollten, also Weihnachten zu feiern. Weil es sonst keine Rettung für sie gäbe. Sobald das Armageddon kommt, wird es für sie keine Chance mehr geben, gerettet zu werden.
Stell dir das vor, ein 10-jähriger Junge, der seinen Freunden und den Eltern seiner Freunde erzählt, dass das, was sie tun, von Natur aus böse ist. Krass oder?
Nachdem mein Vater ausgetreten war, feierte er zwar Weihnachten, er war nur nie so tief von diesem besonderen Zauber durchdrungen, den andere zu haben scheinen, wenn sie an Weihnachten und die Adventszeit denken.
Aber gleichzeitig ist er sehr fasziniert davon, wie oder warum die Menschen dieses innere Bedürfnis haben, zu dieser Zeit festlich zu sein.
Er interessiert sich sehr für die Weltkriege und die Flugzeuge und all das, und selbst damals gab es Waffenstillstände für den Heiligen Abend! Es gab Waffenstillstände an der Front und die Soldaten kratzten das wenige Essen zusammen, das sie hatten, um eine Art Festessen zu veranstalten. Sie bewahrten die Briefe auf, die sie von ihren Angehörigen erhalten hatten, um sie zu diesem Anlass zu lesen. Sie sangen gemeinsam Lieder, all das!
Und wir haben uns gefragt:
Was hat es mit Weihnachten auf sich, das es das in den Menschen bewirken kann?
Sind es die Geschenke?
Nein, natürlich nicht. Wenn man es genau betrachtet, ist Weihnachten zwar vielfach ein kommerzielles Ereignis, das dieses kapitalistische Narrativ von “mehr, mehr, mehr”, “höher, besser, mehr ausgeben” bedient, aber das ist es nicht ,was Weihnachten so besonders macht.
Geht es darum, die Wohnung zu schmücken und als Familie zusammenzusitzen, sei es die Blutsfamilie oder die Wahlfamilie, und sich einen gemütlichen Raum einzurichten?
Ja, das ist wirklich schön. Aber das könnte man auch zu jedem anderen Zeitpunkt des Jahres machen.
Vor hundert Jahren zum Beispiel war Weihnachten wirklich etwas Besonderes, weil es wahrscheinlich die einzige Zeit war, in der ein Kind Spielzeug geschenkt bekam. Es gab ein besonderes Abendessen, das mit allem zubereitet wurde, was die Familie für diesen besonderen Anlass gespart hatte.
In der heutigen lauten Welt können wir im Grunde jederzeit alles kaufen – sofern wir das Budget dafür haben. Und ich will nicht abstreiten, dass Viele versuchen müssen, mit sehr wenig auszukommen. Aber warum ist es gerade an Weihnachten so wichtig, zusammenzukommen und miteinander zu essen?
Und selbst wenn man Weihnachten mal beiseite lässt, feiern andere Religionen, andere Glaubenssysteme andere Feste – Chanukka, Kwanzaa – oder feiern vielleicht überhaupt nicht, aber ich wage zu behaupten, dass wir alle das Gefühl haben, dass diese Zeit des Jahres etwas Besonderes ist. Aber warum?
Und meine schnelle Antwort war:
“Es ist die Magie.”
Nicht die Magie der Geschenke und des Weihnachtsmannes oder des Christkinds, die kommen. Sondern die Magie, die ich zu dieser Zeit des Jahres in der Luft spüre.
Zwischen Weihnachten und Neujahr liegt einfach diese Atmosphäre, dieser Duft, in der Luft. Es ist der Frost, es ist die Dunkelheit, es ist die Mystik, es ist der Nebel. Es liegt etwas in der Luft.
Und ich glaube, es hat nichts mit Weihnachten an sich zu tun.
Denn Weihnachten ist eine Erfindung der christlichen Kirche. Die Menschen feierten diese Zeit des Jahres schon viel früher, als das Christentum hier Einzug hielt. Wie bereits gesagt gibt es auch andere Feste, bei denen es um das Licht geht.
Die Menschen feierten die Wintersonnenwende, lange bevor der christliche Glaube und die Kirche ihren Weg hierher nach Europa und von dort in die Welt fanden.
Die Wintersonnenwende ist die dunkelste Nacht, wenn die Sonne am tiefsten Punkt des Horizonts steht. Und es bedeutet, dass von da an die Tage wieder länger werden, dass das Licht zurückkehrt. Es ist eine Zeit der Hoffnung. Die Hoffnung, dass das Licht zurückkehren wird und dass am Ende dieser dunklen Nächte ein Licht erscheinen wird, das Licht der Sonne wieder erstarkt.
Und das wurde dann natürlich auf die Geburt Jesu übertragen, Jesus als das Licht der Welt. Denn die christliche Kirche wusste sehr wohl, dass sie all diese heidnischen Feste nicht einfach verbieten konnte, aber sie konnte sie zu ihren Gunsten umwandeln. Also haben wir damals angefangen, die Geburt Christi zu feiern.
Ich wage zu behaupten, dass mit dieser Hoffnung auf die Rückkehr des Lichts ein Hauch von Magie in der Luft liegt. Aber Magie war nicht die einzige Antwort für mich.
Es gab etwas, das nach dem Wochenende weiter in mir arbeitete, und dann ging ich eine Ebene tiefer.
Besinnlichkeit – und zur Besinnung kommen
Die Wintersonnenwende ist der tiefste, dunkelste Punkt im Jahreszyklus. Denn auch das Jahr hat einen Zyklus; genau wie ein Tag, genau wie ein Monat hat das Jahr einen Zyklus. Und die Qualität, die energetische Qualität dieser Jahreszeit um die Wintersonnenwende, der tiefste, dunkelste Punkt, ist die gleiche Energie wie die Menstruation in einem Menstruationszyklus oder die Dunkelmondin in einem Monatszyklus (also wenn die Mondin nicht am Himmel zu sehen ist bzw. kein Sonnenlicht reflektiert).
Sie alle haben von Natur aus die gleiche Art von Energie in sich.
Wenn du die verschiedenen Energien in den vier Phasen nicht kennst, kannst du hier mehr darüber erfahren: Die Vier Phasen deines Zyklus erklärt: Teil 1 – Innerer Winter (Menstruation / Dunkelmond)
Beim Winter, sowohl dem inneren Winter in der Menstruation oder der Dunkelmondin als auch dem äußeren Winter in der Jahreszeit, geht es darum, nach innen zu gehen, sich mit seinem Selbst, seinem tiefen, inneren Wesen zu verbinden.
Vor allem die Menstruation, aber auch die Zeit der Dunkelmondin, sind der Moment, wo wir am stärksten unsere tiefe Wahrheit spüren, mit unserer Essenz verbunden sind, im Grunde mit unserem inneren Licht und dem, was wir dieser Welt zu geben haben.
Und wenn wir das auf die Wintersonnenwende, also auf das Jahr übertragen, ist die Wintersonnenwende der Moment, wo wir am stärksten mit unsrer Wahrheit verbunden sind, mit dem, wofür wir hier sind, was uns wichtig ist, was uns etwas bedeutet, mit unserer eigene Bedeutung, dass wir in dieser Welt etwas bedeuten.
Und das bedeutet im Grunde, dass die Wintersonnenwende auf kollektiver Ebene die Menstruation ist. Es ist also unsere kollektive Zeit, nach innen zu gehen und diese Verbindung zum Selbst zu betrachten. Zu Be-SINN-ung kommen, unseren ganz persönlichen Sinn erkennen.
Und vielleicht ist die Magie, die wir in dieser Zeit des Jahres erleben, darauf zurückzuführen, dass wir plötzlich eine Ahnung davon bekommen, was wirklich wichtig ist: zusammen zu sein, mit einem anderen präsent zu sein, zu wissen, dass die eigene Präsenz Geschenk genug ist.
Vielleicht verstehen wir in dieser Zeit, dass wir nicht nach einem Gott oder dem Göttlichen außerhalb von uns selbst zu suchen brauchen. Sondern dass es genau hier ist, in uns, in jedem einzelnen von uns. Der Funke des göttlichen Lichts, wie auch immer du das Göttliche definierst (Universum, Gott, Göttin, Quelle, …), aber der Funke des göttlichen Lichts ist in dir, egal welchen Glauben oder welche Religion du hast.
Epilog
Und um auf die Geschichte am Anfang zurückzukommen und auf die Frage meines Vaters, warum selbst inmitten des Krieges Weihnachten an der Front respektiert, fast als etwas Heiliges gefeiert wurde, vielleicht liegt es daran, dass wir tief in unserem Inneren wissen, dass dies nicht der richtige Weg ist. Dass Kämpfen und uns gegenseitig zu töten uns nicht aus diesem Schlamassel herausbringt.
Vielleicht liegt es daran, dass wir uns daran erinnern, dass wir schlussendlich alle Menschen sind, alle in dieser chaotischen und beängstigenden, unbekannten Welt, und dass es die Hoffnung auf das Licht ist – das äußere und das innere Licht –, das uns helfen kann, wenn wir verzweifelt sind. Wenn wir nicht wissen, wie wir uns in diesem Leben zurechtfinden sollen.
Es ist unser eigenes Licht, das zu unserer Rettung kommt, es ist das Licht in uns, das unser Retter ist und uns erlöst!
Und vielleicht ist es das, worum es bei der Wintersonnenwende und Weihnachten geht, dass wir uns an dieses Licht erinnern, so wie wir es als Frau oder menstruierende Person bei jeder Menstruation oder jeder Dunkelmondin tun. Und weil diese Energie zu dieser Zeit ihren Höhepunkt erreicht (also eigentlich natürlich den tiefsten Punkt), geht es so tief – weil jede Person davon betroffen ist!
Ich meine, die Menstruation findet bei verschiedenen Menschen zu verschiedenen Zeiten im Monat statt, aber die Wintersonnenwende ist wie eine kollektive Menstruations-Zeit, in der wir tief gehen.
Es bedeutet, dass ein Zyklus endet, der Jahreszyklus. Es ist eine Zeit der Reflexion, der Kontemplation, des Rückblicks auf das, was das Jahr gebracht hat, auf all die Dinge, die geschehen sind.
Und dann beginnt man, sich das Neue vorzustellen und das, was kommen wird und was man in diesem nächsten Zyklus manifestieren und erschaffen möchte.
Wir müssen noch nicht aktiv werden, aber wir brauchen eine Idee, eine Vorstellung von dem, was im kommenden Jahr geschehen soll – so wie die Rauhnächte uns dazu einladen zu reflektieren, die gegenwärtige Situation und all das Gute, das wir hier in diesem Moment haben, zu betrachten und uns dann zu erlauben, in das nächste Jahr zu träumen, zu orakeln, einen Blick auf das zu werfen, was kommen wird, ohne eine klare Absicht zu haben, einfach ein Gefühl für den nächsten Zyklus zu bekommen.
Wenn du Lust auf eine gemeinsame Reise durch die Rauhnächte hast, findest du hier mein Angebot “Geheimnisvolle Rauhnächte”!
Das sind also meine Gedanken dazu, was Weihnachten so besonders macht.
Und ich würde gerne wissen, was dabei in dir hochgekommen, was sich für dich gezeigt hat. Gehst du mit dem in Resonanz? Hast du ganz andere Gedanken dazu? Was gibt es noch, was Weihnachten – oder die Adventszeit, oder den Dezember – (für dich) so besonders macht?
Schreib mir eine E-Mail und lass es mich wissen, ich würde mich sehr freuen!